Klischees über die Waldorfschule gibt es viele: Dort kann jeder seinen Namen tanzen und im Unterricht – der in Baumhäusern stattfindet – wird gestrickt. Aber wie genau sieht der Schulalltag dort wirklich aus?
Ein kurzer Einblick in die Geschichte der Waldorfschule
Das Konzept der Waldorfschule stammt von dem Philosophen und Naturwissenschaftler Rudolf Steiner. Dieser gründete 1919 gemeinsam mit Emil Molt die erste Waldorfschule. Der Name geht zurück auf die Zigarettenfabrik von Molt: Waldorf Astoria. Dort wollte er eine Schule für die Kinder seiner Arbeiter einrichten, von der niemand aufgrund seiner sozialen Schicht, Herkunft oder Konfession ausgeschlossen sein sollte.
Wie ist der Unterricht in Waldorfschulen aufgebaut?
Ähnlich wie die Montessori-Schulen bilden auch Waldorfschulen eine Alternative zu den staatlichen Bildungseinrichtungen. Mit einer der größten Unterschiede zu diesen: Kreative und handwerkliche Fächer haben in Waldorfschulen einen deutlich höheren Stellenwert. Darüber hinaus werden zum Beispiel bereits ab der ersten Klasse zwei Fremdsprachen gelehrt.
Die Hauptfächer werden üblicherweise in sogenannten Epochen unterrichtet. Das bedeutet, dass die Schüler circa drei Wochen am Stück täglich in den ersten beiden Schulstunden – die natürlich nicht in Baumhäusern stattfinden – das gleiche Fach haben, zum Beispiel Mathe. Nach diesen drei Wochen folgt dann eine Epoche mit einem anderen Fach. Im weiteren Verlauf des Schultages werden Fächer wie zum Beispiel Deutsch, die zusätzliche Übung brauchen, vertieft. Außerdem findet nun der Fachunterricht mit den Fachlehrern statt. Zu den für Waldorfschulen typischen Fächern gehört beispielsweise Eurythmie, was so viel wie guter Rhythmus bedeutet. Hierbei wird jedem Sprachlaut oder Ton eine bestimmte Gebärde zugeordnet – Waldorfschüler könnten also tatsächlich ihren Namen tanzen. Aber auch Fächer wie Gartenbau, Theater und Handarbeit gehören zum Lehrplan.
Individuelle Beurteilungen statt Noten
Apropos Lehrplan: Es gibt zwar gewisse Richtlinien zur Orientierung, aber der Lehrplan kann von jedem Lehrer individuell auf seine Klasse abgestimmt werden. Für gewöhnlich unterrichtet ein Lehrer von der 1. Bis zur 8. Klasse immer dieselben Schüler in allen Hauptfächern. Der Klassenverband bleibt also immer gleich, sitzenbleiben kann niemand. Die Klassenlehrer kennen ihre Schüler nach einer gewissen Zeit somit sehr gut und können die Unterrichtsinhalte dementsprechend anpassen.
Auch Noten gibt es zunächst nicht. Stattdessen erhalten die Schüler Zeugnisse mit individuellen Beurteilungen über ihre Gesamtentwicklung. Trotzdem können an Waldorfschulen alle gängigen Schulabschlüsse absolviert werden, zusätzlich dazu auch noch der Waldorfschulabschluss. Üblicherweise werden deshalb spätestens in der Oberstufe Noten eingeführt, um die Schüler auf die Prüfungssituation vorzubereiten. Insgesamt ist das Waldorf-Schulkonzept aber kein rein leistungsorientiertes. Vielmehr hat es das Ziel, die Schüler zu sozialen, kreativen und selbstständigen Menschen zu erziehen.
Welche Schüler können an Waldorfschulen aufgenommen werden?
Da die meisten Waldorfschulen sich in freier Trägerschaft befinden, ist häufig ein Elternbeitrag fällig. Wie hoch dieser ausfällt, ist von Schule zu Schule unterschiedlich und hängt auch vom Einkommen der Eltern ab. Schließlich ist es – wie anfangs erwähnt – ein wichtiger Grundsatz, niemanden von den Schulen auszuschließen. Grundsätzlich können also alle Kinder an Waldorfschulen aufgenommen werden. Sie müssen dafür auch nicht besonders künstlerisch oder musikalisch begabt sein, auch wenn kreative Fächer ein wichtiger Bestandteil des Schulalltags sind.
Wenn Sie also überlegen, Ihr Kind auf eine Waldorfschule zu schicken, informieren Sie sich am besten noch einmal genauer bei den jeweiligen Schulen in Ihrer Umgebung. Dort können Sie sich meist individuell beraten lassen und sich zum Beispiel bei einem Tag der offenen Tür selbst ein Bild machen. Auch der Wechsel an eine staatliche Schule ist übrigens – genauso wie der Quereinstieg in eine Waldorfschule – meist problemlos möglich! Unter Umständen könnte hier Nachhilfeunterricht sinnvoll sein, um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten.
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