Während viele Schüler und Eltern dem Online-Unterricht hier in München positiver gegenüber stehen als noch vor der Corona-Pandemie, betonen Bildungspolitik und -forscher immer wieder die großen Vorteile von Präsenzunterricht gegenüber dem Online-Unterricht. Doch was genau sind die Vorteile dieser klassischen Art von Unterricht? (Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei Personen hier nur die maskuline Form verwendet.)
Soziale Interaktion in der Schule und im Homeschooling
Im Vordergrund der Diskussionen steht vor allem die soziale Begegnung in der Schule. Dort treffen Kinder ihre Freunde, sie stellen sich in der Pause beim Kiosk an oder sitzen zusammen in der Schulkantine. Im Klassenraum dann kommt die Interaktion mit den Lehrern und Mitschülern dazu. Die Schüler bereiten sich auf kleine Leistungsnachweise in Form von Ausfragen vor und gehen an die Tafel. Sie melden sich und heben dabei ihren Arm oder setzen sich für Gruppenarbeiten zusammen und quatschen mit ihren Mitschülern. Der Schulalltag ist sehr abwechslungsreich und verschiedene Anforderungen werden an den einzelnen Schüler gestellt.
Diese Art des Austauschs kann in Form von digitalem Unterricht nicht adäquat ersetzt werden. Fürs Essen gehen die Kinder 5 Meter in die Küche und setzen sich dann wieder an den Tisch oder ins Bett. Der Unterricht findet für den digitalen Schüler wiederum am selben Tisch statt, es gibt keinen Wechsel. Für einen sozialen Austausch kann der Schüler den Klassenchat benutzen, muss nicht einmal reden. Er muss oftmals nicht einmal seine Kamera anschalten. Im Prinzip kann er tage- oder wochenlang in diesem „Schluffi“-Modus bleiben ohne menschlichen Kontakt außerhalb der Familie. Hier bleibt der Schüler recht passiv und muss nicht viele unterschiedliche Tätigkeiten ausführen außer Zuhören, Sitzen und Schreiben.
Die Qualität des Unterrichts im Vergleich
Auch bei der Qualität des Unterrichts kann die digitale Fernlehre oft nicht mithalten. In der Schule rufen die Schüler in einer Plenumssituation – wie es in einer Klasse meistens der Fall ist – einfach in den Unterricht hinein und unterbrechen durch die Lautstärke ihrer Stimme kurzfristige den Unterricht. Fragen oder Unklarheiten können so kurzfristig und ohne Umstände geklärt werden. Auch die emotionale Verbindlichkeit, die ein Lehrer zu seinen Schülern mit Mimik und Gestik aufbaut, ist hier gegeben.
Im Online-Unterricht haben Schüler dagegen oft eine gewisse Hemmschwelle, Fragen zu stellen. Auch nutzen Schüler manchmal die fehlende Aufmerksamkeit des Lehrers und die abgeschaltete Kamera dazu, sich anderweitig zum Beispiel mit online-Spielen zu beschäftigen. Ein direkter Dialog ist so recht mühsam. Mimik und Gestik spielen hier eine nicht so große Rolle und machen das ganze Geschehen vor der Kamera oft unverbindlich und anonym.
In der Schule selbst wiederum können Lehrer unterschiedliche, didaktische Methoden anwenden, um den Lehrstoff zu vermitteln. So sind in einem Klassenraum Rollenspiele möglich, aber auch direkte Diskussionen, Gruppenarbeiten oder Vorträge. Der Lehrer kann direkt einschreiten, falls sich Diskussionen oder Gruppenarbeiten in die falsche Richtung entwickeln und auch unmittelbar Fragen beantworten.
All diese Dinge können unter Umständen auch per Kamera durchgeführt werden, jedoch geht dabei oft die Direktheit und die Wirksamkeit verloren: wie sollen beispielsweise Rollenspiele vor der MS Teams Kamera durchgeführt werden, ohne dass die Hälfte der Kinder innerlich abschaltet oder sich bei dem darstellenden Kind das aufgeregte Gefühl einer Darstellung vor der Klasse einstellt?
Die Rolle von Präsenzunterricht für jüngere Schüler und Schüler mit Migrationshintergrund
Insbesondere jüngere Schüler oder Schüler, die sich leicht ablenken lassen, brauchen den Präsenzunterricht. Denn sie benötigen regelmäßig die Ansprache des Lehrers und einen hohen Grad an Interaktion. Je jünger ein Schüler, desto kürzer kann er sich konzentrieren und desto höher ist meistens sein Bewegungsdrang.
Auch Schüler, die zu Hause mit ihren Eltern nur in deren Muttersprache reden, brauchen unbedingt den schulischen Präsenzunterricht. Denn dort können Fragen direkt oder im Vorbeigehen geklärt werden, die Hemmschwelle ist nicht so groß, als wenn die Frage ausgeschrieben werden muss und alle Mitschüler sie (und damit vielleicht Rechtschreibfehler) sehen können. Und das Hören der deutschen Sprache ist dort unmittelbar und überall gegeben. Auf dem Weg zur Schule reden die Kinder im Bus mit ihren Freunden Deutsch. Dann am Kiosk reden sie mit dem Verkäufer Deutsch. In der Schule reden sie mit den Lehrern Deutsch. Diese Gelegenheiten ergeben sich oft nicht, wenn Schüler nur zu Hause ihre Tage verbringen und zum Beispiel während des Lockdowns für Monate zu Hause bleiben müssen.
Weitere Vorteile sind, dass die Schüler sich an klare Zeiten und Orte halten müssen. Wenn Schüler nicht um 8 Uhr morgens an ihrem Platz sitzen, sitzen sie nicht an ihrem Platz und es fällt allen auf. Wenn dagegen Schüler um 8 Uhr morgens nicht in einer Liste von 27 Namen rechts in einer Bildschirmleiste auftauchen, fällt dies nicht so sehr auf.
Fazit
Insgesamt ist der Präsenzunterricht also immer noch das Mittel der Wahl bei der Wissensvermittlung, wie wir das auch bei Heurekaaa hier in München machen. Nichts ist wirksamer als eine Vielzahl an didaktischen Methoden oder die direkte Ansprache durch den Lehrer. Zur kurzfristigen Ergänzung von Präsenzunterricht kann Fernunterricht in jedem Fall dienen. Auf Dauer stehen dieser Art der Wissensvermittlung jedoch noch viele Hürden im Wege, wie instabile Internetverbindungen, die manchmal mangelhafte Weiterbildung der Lehrer in der digitalen Wissensvermittlung und die unzureichende Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten.
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