Es gibt unterschiedliche Wege und Methoden, sich Wissen anzueignen bzw. dieses zu vermitteln. So lernen einige von uns besser mit Texten, andere mit Bildern und Grafiken. Wieder andere brauchen Gespräche oder müssen Lerninhalte hören. Oftmals ist es auch ein Mix, der beim Lernen für Abwechslung sorgt und die Motivation aufrecht erhält. Eine andere Herangehensweise hat Jerome Bruner (1988). Nach dem von ihm entwickelten EIS-Prinzip kann das zu vermittelnde Wissen in unterschiedlichen Abstraktionsgraden dargestellt werden: enaktiv, ikonisch oder symbolisch.

Enaktiv, ikonisch, symbolisch – was genau bedeutet das?

Die enaktive Darstellungsform von Wissen ist die konkreteste, da sie Handlungen beinhaltet. Beispielsweise kann man im Fach Mathematik mithilfe von geeigneten Materialien (Steinchen, Murmeln, Plättchen) eine Rechenaufgabe legen und das Ergebnis auszählen: Zu drei blauen Plättchen kommen vier rote, insgesamt hat man dann sieben Plättchen.

Etwas abstrakter und damit weniger konkret ist die ikonische Darstellungsform, für die bildliche Formen gewählt werden. Dieselbe Aufgabe ließe sich so auch als Bild mit Punkten oder Strichen darstellen.

Die symbolische Darstellung durch Zeichen und Sprache ist die abstrakteste. Hier steht die Rechenaufgabe lediglich als Text oder in mathematischer Form 3 + 4 = 7 auf dem Blatt. Wichtig für die Bearbeitung dieser Aufgabe ist, dass beim Lernenden eine Vorstellung vom Zahlbegriff sowie von der Addition vorhanden ist.

Aufgrund der Anfangsbuchstaben von Enaktiv, Ikonisch und Symbolisch spricht man auch vom EIS-Prinzip.

Das Ziel des EIS-Prinzips: Abstraktionsfähigkeit und mentale Repräsentationen

Für den Unterricht ist es nicht nur wichtig, abstrakte Textaufgaben zum Beispiel in Mathematik und Physik zu verstehen. Auch eine allgemeine Abstraktionsfähigkeit, um Wissen von einem Kontext auf einen anderen zu übertragen, ist erforderlich. Das Ziel ist die Anlage mentaler Repräsentationen, also gedanklicher Vorstellungen, von den Inhalten bei Lernenden. Diese dienen als Anknüpfungspunkte für weiteres Lernen.

Das EIS-Prinzip zu Hause: Diese Aufgaben können Sie in den Alltag integrieren

Auch Sie können zu Hause die allgemeine Abstraktionsfähigkeit Ihres Kindes fördern. Sei es beim Backen, Spielen oder bei der Kleiderauswahl – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Alltagssituationen für die Veranschaulichung von mathematischen Zusammenhängen zu nutzen.

Wenn Sie zum Beispiel mit Ihrem Kind einen Kuchen backen, dann fragen Sie doch mal Folgendes: „Stell dir vor, wir nehmen doppelt so viel Mehl –  wie viele Eier bräuchten wir dann noch?“ Diese Frage hat es in sich, da die Handlung nicht tatsächlich ausgeführt wird – Sie backen schließlich nur einen Kuchen. Ihr Kind muss es sich also vorstellen und lernt so, abstrakt zu denken.

Etwas weniger abstrakte Aufgaben bieten sich bei der Kleiderauswahl an: „Du hast 3 Pullis und 2 Hosen, die für das heutige Wetter geeignet sind – wie viele Outfits könntest du dir zusammenstellen?“ Hier kann Ihr Kind die Pullis und Hosen auf den Boden legen und miteinander kombinieren.

Geometrie lernen mit Legosteinen und Milchpackungen

Natürlich lassen sich diese Möglichkeiten auch gezielt für Hausaufgaben und die Vorbereitung von Schulaufgaben nutzen. Das Bauen mit Holzwürfelchen oder Legosteinen beispielsweise kann mit Geometrie verbunden werden. Ihr Kind kann hier für das Auslegen einer Fläche oder das Bauen eines Gebäudes die Steine zunächst auszählen. Wie viele braucht man für Länge, Breite und Höhe? Und wie viele, wenn das Gebäude doppelt so lang/breit/hoch sein soll?

Aber auch Alltagsgegenstände wie eine Milchpackung lassen sich nutzen, etwa für die Oberflächenbetrachtung von Quadern. Gegenüberliegende gleichgroße Seiten beispielsweise können in derselben Farbe angemalt werden.

Wie Sie sehen, gibt es zahlreiche Wege, quasi nebenbei die Abstraktionsfähigkeit Ihres Kindes zu stärken. Probieren Sie es einfach mal aus! Mit Sicherheit fallen Ihnen selbst auch noch viele weitere Aufgaben ein.